Worum geht es?
Auf Initiative des Präventionsteams der Polizei Braunschweig und mit der Unterstützung der Stadt Braunschweig und den Nachbarschaftshilfen ist ein Projekt zum Schutz von Seniorinnen und Senioren entstanden.
Was ist der Hintergrund?
Statistisch ist das „Seniorenalter“ eine unter Gefährdungsgesichtspunkten eher unspektakuläre Lebensphase. Die Kriminalitätsgefährdung geht im Alter insgesamt eher zurück. Nationale und internationale Studien zeigen, dass ältere Menschen sich vergleichsweise in der „sichersten Zeit ihres Lebens“ befinden. Man könnte also meinen, dass alles „im grünen Bereich“ ist. Gleichwohl gibt es aber Straftaten, die sich speziell gegen ältere und hochaltrige Menschen richten. Es handelt sich dabei um Tatbegehungsweisen, bei denen die Täterinnen und Täter gezielt Seniorinnen und Senioren in ihrer Privatwohnung aufsuchen oder anrufen. Begriffe wie „Enkeltrick“ oder „Falsche Polizeibeamte“ haben sich zur Beschreibung eines Deliktfeldes eingebürgert, der dadurch gekennzeichnet ist, dass das Opfer über die Identität und Absicht der Kriminellen getäuscht und dazu gebracht wird, Geld oder Wertgegenstände auszuhändigen.
Neben dem finanziellen Verlust kommt es oft zu massiven
emotionalen und sozialen Tatfolgen. Das eigene Zuhause wird nicht mehr als sicherer Lebensraum wahrgenommen. Die Folgen können Schlafstörungen, sozialer Rückzug, Verlust an Lebensmut, Scham und Selbstvorwürfe sein. Die Opfer fürchten auch oft, dass die Verwandten sie ins Heim einweisen und sie so ihre Selbstständigkeit verlieren. Wir bieten in solchen Fällen im Rahmen der aufsuchenden Präventionsarbeit eine Opfernachsorge an.
Warum sind gerade Seniorinnen und Senioren bevorzugte Opfer von Trickbetrügereien und Trickdiebstählen?
Auf der einen Seite haben wir professionelle Täter, die organisiert, banden- und gewerbsmäßig, regional und überregional agieren. Auf der anderen Seite vulnerable, also verletzbare Opfer.
Die Täter haben sich spezialisiert. Sie sind skrupellos, wählen ganz bewusst ältere Menschen aus und nutzen gezielt Gutgläubigkeit sowie altersbedingte Beeinträchtigungen ihrer Opfer aus. Ältere Menschen sind als „Opfergruppe“ aus der Perspektive der Kriminellen sehr „attraktiv“. Das ideale Opfer ist also der alleinlebende hochaltrige Mensch mit hohem Barvermögen und Einschränkungen hinsichtlich seiner körperlichen und geistigen Kraft.
Was macht Ihre Arbeit in diesem Bereich so schwierig?
„Straftaten zum Nachteil älteren Menschen“ ist ein Deliktsphänomen, das 365 Tage im Jahr Saison hat. Ältere Menschen sind aus Sicht der Prävention eine schwer erreichbare Zielgruppe. Sie sind oft nicht in Seniorenkreisen, kirchlichen Einrichtungen, Vereinen etc. organisiert und verlassen häufig aus den unterschiedlichsten Gründen nicht die Wohnung. Körperliche Einschränkungen und Ängste hindern sie oft, unsere Informationsveranstaltungen aufzusuchen. Auch sind viele Seniorinnen und Senioren nicht „digital“ zu erreichen.
Die Täterinnen und Täter sind sehr kreativ und einfallsreich. Die Bandbreite an Legenden ist riesengroß. Die Kriminellen lassen sich immer wieder etwas Neues einfallen. Sie verfügen über ein hohes schauspielerisches Talent und handeln absolut skrupellos. Die älteren Menschen sind dann häufig auf abgewandelte Tatbegehungsweisen kaum vorbereitet. Sie sind überrascht und haben kaum Reflexions- und Handlungsspielräume.
Was wollen Sie nun konkret tun? Welche Maßnahmen ergreifen Sie?
Gerade in Zeiten von Corona mit eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten erreichen wir unsere älteren Mitmenschen auf unabsehbare Zeit nicht persönlich. Es ist zu erwarten, dass die Pandemie von Kriminellen insbesondere zum Nachteil unserer Seniorinnen und Senioren weiterhin ausgenutzt wird. Für die Polizei Braunschweig steht Bürgernähe und Sicherheit älterer Menschen besonders im Mittelpunkt. Unsere Seniorinnen und Senioren sollen sich in dieser schwierigen Zeit nicht allein gelassen fühlen. Wir möchten gemeinsam mit der Stadt Braunschweig dazu beitragen, dass unsere älteren Menschen auch weiterhin gesund, sicher, angstfrei und mit einer hohen Lebensqualität in Braunschweig leben können.
In Braunschweig haben deshalb Personen über 70 Jahren als Grundlage und wichtigen Baustein für mehr Sicherheit im Alter seit Ende 2020 ein Infopaket erhalten, das dazu beitragen soll, die kriminellen Tricks der Täter frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. So entsteht erst gar kein Schaden. Mittlerweile wurde fast die Hälfte der Informationspakete kontaktlos zugestellt. Die Kampagne dauert an.
Wir hoffen, mit dieser öffentlichkeitswirksamen Kampagne auch das Umfeld, Verwandte und insbesondere Nachbarn zu erreichen, über die Thematik zu informieren und zu sensibilisieren. Wenn Sie nicht zum Personenkreis der über 70-jährigen gehören, die unser Informationspaket erhalten, aber daran Interesse haben, dann melden Sie sich gerne bei mir!
Sie lesen hier ein gekürztes Interview. Das vollständige Interview finden Sie unter [www.wiederaufbau.de/news] (https://www.wiederaufbau.de/news "news")
Was sind die wichtigsten Präventionstipps?
+ Niemals Unbekannte in die Wohnung lassen!
+ Niemals Geld oder Wertsachen an Unbekannte oder an die Polizei aushändigen!
+ Niemals raten, wer am Telefon ist!
+ Den Anrufer immer auffordern, seinen Namen zu nennen!
+ Mit den „echten“ Verwandten ein „Erkennungs-Codewort“ absprechen!
+ Die „echte“ Polizei ruft niemals mit der Telefonnummer 110 an!
+ Die „echte“ Polizei fordert niemals Bargeld oder Wertsachen!
+ Misstrauisch sein! Selbst auflegen und immer selbst die 110 ohne Vorwahl wählen. Die Kriminellen können technisch jede beliebige Rufnummer fälschen und auf Ihrem Display erscheinen lassen. Niemals Wahlwiederholung drücken! Sie landen dann wieder bei dem Betrüger.
+ Mittlerweile gibt es Unternehmen, die einen sogenannten „Telefonfilter“ setzen können. Der Kunde kann dort ein Gerät erwerben, auf dem lediglich Rufnummern des eigenen Verwandten- und Bekanntenkrieses eingespeichert und durchgestellt werden. Alle anderen „unliebsamen“ Rufnummern werden blockiert und auf einen Anrufbeantworter umgeleitet, auf dem sie dann bei Bedarf separat geprüft und gegebenenfalls gelöscht werden können.
Jens Zeiler
Polizeihauptkommissar
Beauftragter für Kriminalprävention der Polizeiinspektion Braunschweig
0531-467/3051 oder 2005