1 / 2024
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Florian Bernschneider im Gespräch

Seine Person, seine Vision und mögliche Herausforderungen

Wie fühlen sich die letzten Wochen und Monate für Sie an? Sind Sie in der neuen Aufgabe angekommen?

Mir macht die neue Aufgabe viel Freude. Auch nach sechs Monaten stoße ich immer noch auf neue tolle Menschen in der ›Wiederaufbau‹-Welt und entdecke spannende Themen. Aber ich kann dank der Unterstützung meiner Vorstandskollegen und des ganzen Teams auch sagen, dass ich mich angekommen und handlungsfähig in der neuen Aufgabe fühle.

Ihnen war bei der Einarbeitung wichtig, das ›Wiederaufbau‹-Leben von der Pike auf kennenzulernen.

Ja, das stimmt. Deswegen war ich die letzten Wochen auch viel unterwegs, habe unserem Kundenservice gelauscht, mir Nebenkostenabrechnungen, Müllstationen und Wohnungsübergaben angesehen und saß am Empfang. Aus allen Stationen kann ich vor allem eins sagen: Mir ist nicht Bange um die Zukunft. Die ›Wiederaufbau‹ ist groß genug, alle Mittel eines professionellen und serviceorientierten Unternehmens zu haben. Aber wir sind auch nah und persönlich genug, um zu wissen, dass das wahre Leben nicht in ein Prozesshandbuch passt.

Also alles gut für die Zukunft?

Ich folge seit jeher zwei einfachen Grundsätzen. Erstens: Geht nicht, gibt's nicht. Und zweitens: Die besten Tage liegen noch vor uns. Natürlich fliegt uns beides nicht zu, es sind immer wieder Anstrengungen und Veränderungen notwendig. Aber die Geschichte der ›Wiederaufbau‹ ist voll davon. Ein Unternehmen mit dieser Tradition hat vor allem eins häufig genug bewiesen: Wir können uns neuen Herausforderungen stellen und Zukunftschancen nutzen.

Bei Ihrem Dienstantritt haben Sie die drei großen „D“ als Herausforderung benannt. Worum geht es dabei?

Die drei großen „D“ beschreiben die zentralen Herausforderungen unserer Zeit: Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung, also den Abbau von CO2-Emissionen. Die Summe der drei „D" fordert nicht zuletzt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft heraus. Gerade die Wohnungswirtschaft ist dabei besonders herausgefordert. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das als ›Wiederaufbau‹ packen. Gerade, weil der Zusammenhalt uns als Genossenschaft in der DNA steckt.

Lassen Sie uns etwas konkreter in den drei Themen werden. Was bedeutet die alternde Gesellschaft für die ›Wiederaufbau‹?

Die ›Wiederaufbau‹ hat in den letzten Jahrzehnten viel für generationengerechtes Wohnen getan. Wir haben Konzepte wie „Wohnen mit Zukunft“ ins Leben gerufen und Barrieren in unserem Bestand reduziert. Unser genossenschaftliches Alleinstellungsmerkmal ist das lebenslange Wohnrecht, dem keine Kündigung wegen Eigenbedarf entgegensteht. Um dieses Versprechen mit Wert zu füllen, müssen unsere Angebote auch weiter mit der Alterung unserer Gesellschaft wachsen. Aber uns muss auch klar sein, dass Fahrstühle und bodentiefe Duschen nicht das alleinige Rezept für Wohnen im Alter sein können. Es geht um mehr als um bautechnische Fragen.

Worum geht es dann?

Vor allem geht es um starke Gemeinschaften. Häuser und Quartiere, in denen sich Alt und Jung unter die Arme greifen. Das Team des Sozialen Managements um Gregor Kaluza macht einen großartigen Job, um das greifbar zu machen. Aber sozialer Zusammenhalt und eine starke Nachbarschaft lassen sich nicht allein hauptamtlich organisieren. Wie das aussehen kann, zeigen engagierte Vertreterinnen und Vertreter von uns, die ehrenamtlich in ihren Quartieren Anliegen voranbringen und Gemeinschaft stärken.

Beim zweiten „D“, der Digitalisierung, hat man eher das Gefühl, dass man weniger Mensch und mehr Technik braucht.

Digitalisierung darf niemals Selbstzweck werden. Was künstliche Intelligenz heute kann, ist zutiefst beeindruckend, aber sie muss ein Assistenz- und kein Ersatzsystem für den Menschen sein. Natürlich wollen wir künftig KI in unsere Prozesse integrieren, um beispielsweise Kundenanfragen noch besser und schneller zu beantworten oder unsere Heizungsanlagen noch effizienter zu steuern. Auch wir müssen noch mehr Routineaufgaben durch Digitalisierung erledigen lassen, aber nicht um Menschen einzusparen, sondern im Gegenteil – um mehr Raum für Menschlichkeit zu gewinnen.

Gibt es denn schon konkrete Digitalisierungsprojekte, die Sie in diesem Sinne begonnen haben?

Wir haben in den letzten Wochen eruiert, wie viel eigenen Server und wie viel Cloudcomputing wir künftig brauchen. Damit werden wir die IT-Systeme bei uns zusätzlich beschleunigen und komfortabler machen. Außerdem beginnen wir dieser Tage mit der Planung einer neuen Homepage als dem digitalen Anlaufpunkt der ›Wiederaufbau‹. Wir beschäftigen uns auch intensiv mit Schnittstellen zu unseren Kernsystemen der Wohnungsbewirtschaftung. Das klingt alles recht trivial, ist aber die Grundlage, um wirklich digitale Chancen der Zukunft zu stemmen.

Kommen wir zum dritten „D“ und dem Elefanten im Raum: Wie wird die ›Wiederaufbau‹ in den kommenden 20 Jahren klimaneutral?

Schritt für Schritt. Ich warne davor, dass wir den gleichen Fehler machen, wie internationale Klimakonferenzen, und uns allein an der Frage abarbeiten, wie genau alles in 20 Jahren funktionieren soll. Vor 20 Jahren war Facebook ein Mini-Start-up und das iPhone noch nicht erfunden. Wir werden auch die kommenden 20 Jahre rasanten technologischen Wandel erleben, der manches möglich macht, was wir heute für undenkbar halten. Wichtig ist: Wir haben als ›Wiederaufbau‹ die Kraft, um in diesen Wandel zu investieren. Von zwölf eingenommenen Mieten investieren wir jedes Jahr sieben direkt wieder in den Bestand. Dass wir uns diese Handlungsspielräume erarbeitet haben, ist nun von unschätzbarem Wert, um nicht über Wolkenschlösser der Zukunft, sondern die nächsten konkreten Schritte zu sprechen.

Und wie lauten diese Schritte?

Egal ob wir unsere Gasheizungen künftig durch elektrische Wärmepumpen oder Fernwärmeanschlüsse tauschen – damit wäre nur die Hälfte gewonnen. Uns geht es eben nicht nur um einen bilanziell CO2-neutralen Hausanschluss, sondern auch um vertretbare Nebenkosten für unsere Mieterinnen und Mieter. Eine konkrete Maßnahme dafür ist der Austausch aller Einrohrheizungen in unserem Bestand. So können wir mit niedrigeren Temperaturen effizienter heizen – egal ob mit Wärmepumpen oder Fernwärmeanschluss. Aber neben veränderter Technik brauchen wir auch ein verändertes Heizverhalten, damit das klappt.

Was müssen wir beim Heizen anders machen?

Früher konnten wir auf Stufe fünf schnell die Wohnung einheizen. Besonders effizient war das ehrlich gesagt noch nie, aber es ging und irgendwie fühlte es sich für viele von uns auch richtig an, die Heizung herunterzudrehen, wenn wir die Wohnung verlassen und dann kuschelig einzuheizen, wenn wir sie wirklich brauchten. Das ändert sich mit niedrigeren Vorlauftemperaturen. Statt sporadisch auf Volldampf müssen die Systeme nun gleichmäßig über den gesamten Tag warmlaufen. Unterm Strich ist es damit genauso warm, aber deutlich günstiger für das Klima und den Geldbeutel.

Kann Digitalisierung auch hier helfen?

Wir experimentieren aktuell mit einer verstärkten Digitalisierung unserer Heizungsanlagen, um sie auch aus der Ferne noch effizienter zu steuern. Aber ich will ehrlich sein: Manchmal brauchen wir mehr Low- als Hightech. Immer mehr Technik macht unsere dezentralen Systeme in den Häusern auch anfälliger für technische Ausfälle. Hier gilt das Gleiche, was wir auch beim Dämmen unserer Häuser verfolgen. Viel hilft nicht immer viel. Mein Vorstandskollege Torsten Böttcher hat hier mit dem Team rund um Silke Pförtner einen klugen Weg für unsere Technik eingeschlagen.

Jetzt haben wir über viele Themen gesprochen, aber ein Schlagzeilenthema dieser Tage haben Sie unerwähnt gelassen – den Wohnungsmangel.

Ich bin stolz, dass die ›Wiederaufbau‹ ein Unternehmen ist, das sich durch steigende Zinsen und Baukosten nicht davon abhalten lässt, große Neubauprojekte wie den zweiten Bauabschnitt des Caspari-Viertels oder unseren Neubau in den Gärtnerhöfen zu realisieren. Aber Nachhaltigkeit heißt auch, dass wir diesen Neubau nicht als Getriebene von Schlagzeilen, sondern aus Überzeugung realisieren. Wenn wir uns demografische Analysen über 2030 hinaus ansehen und uns bewusst machen, dass jeder Neubau auch CO2-Emissionen verursacht, sollten wir sehr überlegt vorgehen. Deswegen stehe ich auch hier ganz hinter der bisherigen Strategie meiner Vorstandskollegen und des Aufsichtsrats. Wo es eine echte Chance gibt, nach gefragten, bezahlbaren und guten Wohnraum für kleine und mittlere Einkommen zu schaffen, werden wir auch künftig bauen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir in unseren Marktgebieten weit entfernt von langen Schlangen von Mietinteressenten sind.

Sie haben das Marktgebiet der ›Wiederaufbau‹ eben angesprochen. Sie selbst sind Braunschweiger. Fühlen Sie sich auch im Rest des Bestands schon zu Hause?

Auf jeden Fall. Schon mein Familien- und Freundeskreis verteilt sich auf die ganze Region. Und ich bin auch gar kein Freund von übertriebenem städtischem Selbstbewusstsein. Braunschweig wäre ohne die Region nicht halb so stark und das gilt auch für die ›Wiederaufbau‹. Nicht zuletzt vom Arbeitgeberverband weiß ich, welche tollen Chancen und starke Arbeitgeber in Salzgitter, Wolfenbüttel, Peine und dem Harz liegen. Aber klar: Ich gebe zu, dass ich zum Beispiel in Calbe oder Halberstadt bisher nicht so häufig unterwegs war. Deswegen habe ich diese Standorte in der Einarbeitung auch besonders intensiv besucht. Und egal wo ich war, spürt man immer wieder eines: Der alte Spruch „Lage, Lage, Lage“ ist nicht falsch, aber die andere Seite der Medaille heißt „Menschen, Menschen, Menschen“ und da können wir als ›Wiederaufbau‹ in allen Teilmärkten gleichermaßen punkten. 

Damit wir noch ein wenig mehr über Sie persönlich erfahren, vervollständigen Sie doch bitte die folgenden Sätze…

Am besten starte ich in den Tag…
nach frühem Joggen und mit einer guten Tasse Kaffee.

Ich bin besonders stolz auf…
die großartigste achtjährige Tochter der Welt.

Ein Buch, das man gelesen haben sollte…
ist Yuval Noah Hararis „21. Lektionen für das 21. Jahrhundert“.

Ich habe eine Schwäche für…
Weihnachtskitsch. Das ist deswegen komisch, weil ich ansonsten großer Freund von ganz klaren Designlinien ohne viel Schnickschnack bin.

Mein Geheimrezept gegen Stress ist…
das Smartphone gelegentlich gegen ein gutes Buch auszutauschen.

Mich kann man beeindrucken mit…
einer guten Mischung aus Kreativität, Ehrgeiz und dem Herzen am richtigen Fleck.

Im Sommerurlaub…
freue ich mich auf einen gemeinsamen Urlaub mit meiner Frau und unserer Tochter in Südtirol.

Man kann mir immer eine Freude machen mit…
guter Lakritze.

Ich reagiere allergisch auf…

den Satz: Das haben wir schon immer so gemacht.

Vielen Dank für das Gespräch!


INFO

Florian Bernschneider (* 1986 in Braunschweig)

  • Abitur am Martino-Katharineum
  • Studium zum Bankbetriebswirt an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und der Norddeutschen Landesbank
  • Jüngstes Mitglied des Deutschen Bundestags (2009–2013)
  • Geschäftsführer einer Mittelstandsberatung
  • Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands der Region Braunschweig-Wolfsburg (2016-2023)
  • Vorstand der Baugenossenschaft ›Wiederaufbau‹ eG (seit 2023)