4 / 2020
Letzte Änderung:

Familie Züchner und Martha Fuchs

Spaziergänge durch unsere Quartiere – Teil II

Seesen – Züchnerhügel

Den meisten Bürgern Seesens ist der Name „Züchner“ ein Begriff und damit meine ich nicht die alte Berufsbezeichnung für Leine(n)weber, sondern die Familie Züchner.

Denn der Name Züchner steht seit mehreren hundert Jahren (genauer seit 1797) für Verpackungen. Genauer gesagt, für Konservendosen. Denn durch den Diplomaten Baron van Campen, fertigte Heinrich Züchner 1830 die erste Konservendose Deutschlands.

Das inhabergeführte Familienunternehmen trotzte in den folgenden 160 Jahren vielen Krisen, darunter einer Insolvenz, Kriegswirren sowie politische und wirtschaftliche Umbrüche. Später wuchs das Unternehmen zum größten familiengeführten Dosenhersteller Europas.

Anfang der 1990er Jahre konnten die Züchners jedoch nicht länger gegen die internationale Konkurrenz bestehen. Gerade auch mit Blick auf 1983, als ein Großbrand die gesamte Produktionsanlage sowie die angrenzenden Lagerhallen vernichtete. Es war zudem der größte Brandeinsatz in der Geschichte der Stadt Seesen und seiner Feuerwehr. Trotz Wiederaufbau und Wiedereinstieg in die Fertigung, konnte das Unternehmen nicht an die Zeiten vor dem Unglück anknüpfen.So wurde die gesamte Produktion, die seit 1797 in Seesen/Harz ansässig gewesen war, etappenweise verkauft. Die Handelssparte, die Dosen-Zentrale, blieb den Züchners erhalten.

Auch heute noch ist der Name Züchner in aller Munde. 1910 erwarb Fritz Züchner die 1:3 Version der Braunschweiger Quadriga, welche 1890/93 für die Weltausstellung in Chicago angefertigt wurde. 1914 rechnete er fest mit dem Sieg im ersten Weltkrieg, wollte ein Triumphtor in Seesen mit der Quadriga errichten lassen, jedoch wurde daraus aufgrund des verlorenen Kriegs nichts. So entschloss er sich die Quadriga auf das Haus seines Sohnes setzen zu lassen, welches er zu dessen Hochzeit errichten ließ. Die Quadriga, die nun seit fast 100 Jahren auf der Züchner-Villa stand, wurde im Frühjahr 2018 abmontiert und nach Braunschweig transportiert. Dort soll sie restauriert und im Naturhistorischen Museum ausgestellt werden.

Die Demontage und Abtransport nach Braunschweig stößt bei den meisten Seesener auf Unverständnis und Wehmut, denn seit dem 24. März 2018 fehlt der Stadt eines ihrer Wahrzeichen.

 

Brauschweig – Martha-Fuchs-Straße

Martha Fuchs (*1892 – † 1966) war eine Sozialdemokratin und bekleidete bislang als einzige Frau das Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Braunschweig.

Ihre politische Karriere begann Sie bereits in den 1920er-Jahren als Kommunal- und Landespolitikerin.

Einen schweren Schicksalsschlag erlitt sie während der Zeit des Nationalsozialismus. Aufgrund ihres Widerstandes wurde sie 1944 verhaftet und in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

Während ihrer Amtszeit (1959 – 1964) verfolgte sie erfolgreich den Wiederaufbau Braunschweigs, darunter den Neubau des Hauptbahnhofs, der Stadthalle – dadurch der damals geläufige Name „Fuchs-Bau“ – Schulen, Krankenhäusern und insbesondere von Wohnraum.

1960 erlitt ihr Ansehen jedoch einen Schaden, wodurch der Blick auf Ihre Lebensleistung bis heute verstellt wurde. Unter ihrer Leitung beschloss der Rat der Stadt nämlich mit einer Mehrheit von nur zwei Stimmen den umstrittenen Abriss des im Krieg stark beschädigten Braunschweiger Schlosses.

Der Abriss war auch ohne Martha Fuchs praktisch entschieden, jedoch setzte sie sich aktiv für den Erhalt der historisch wertvollen Teile der Fassade und der Reiterstandbilder ein.

Die Autorin Regina Blume widmete sich Martha Fuchs im Rahmen der Buchreihe „Braunschweigische Biografien“. In ihrem Abschlusskapitel beschreibt sie Martha Fuchs als „eine realistische, tatkräftige, stets auf das Gemeinwohl bedachte Politikerin.“

Für Gerhard Glogowski (Ministerpräsident a.D.) und Ulrich Markurth (amtierender Oberbürgermeister Stadt Braunschweig) habe die damalige Oberbürgermeisterin die politische Kultur der 1950er und 1960er Jahre in Braunschweig mit ihrem aufopferungsvollen Pflichtbewusstsein und ihrem unvergleichlichen Humor entscheidend entscheidend geprägt, so die Autorin.

Martha Fuchs erhielt 1962 den Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, 1964 das Große Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens und erhielt im gleichen Jahr die Ehrenbürgerwürde der Stadt Braunschweig.

Martha Fuchs starb 1966 in Braunschweig an den gesundheitlichen Folgen der KZ-Haft.