1 / 2022
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"CO2-Reduzierung gibt’s nicht zum Nulltarif"

Nachgefragt bei den Vorständen

 

V. Köhler:  Das erste Quartal im Jahr 2022 ist fast um. Erzählen Sie unseren Leserinnen und Lesern, welche Projekte sich die ›Wiederaufbau‹ für dieses Jahr vorgenommen hat.

H.-J. Westphal: Wir gehen davon aus, dass wir noch in diesem Jahr den zweiten Bauabschnitt „Caspari-Viertel“ beginnen können. Im Sommer werden wir den neuen EDEKA-Markt und das Ärztehaus im Rheinviertel der Weststadt übergeben. Auch sind wir „An den Gärtnerhöfen 6 und 7“ in der finalen Phase und können vermarkten.

T. Böttcher: Ergänzend treiben wir das Neubauprojekt „An den Gärtnerhöfen 9 bis 17“ voran. Die Entwurfsplanungen sind im vollen Gange. Wenn diese abgeschlossen sind, werden wir den Bauantrag stellen und können nach Genehmigung ausschreiben. Spannend werden dann die Baupreise sein, die uns dort angeboten werden. Zuvor wird der Altbestand zurückgebaut. Ansonsten setzen wir spektakulär unspektakulär unsere Großsanierungsmaßnahmen in gewohnter Form fort.

 

V. Köhler:   Ist noch mehr in der Pipeline?

T. Böttcher: Es gibt noch zwei, drei andere Neubauvorhaben. „An der Schölke“ zum Beispiel. Wegen mangelndem Bau- und Planungsrecht liegt dieser Plan derzeit noch in der Schublade. Das aktivieren wir dann, wenn die Grundlagen entsprechend soweit sind.

 

V. Köhler:  Spielt die Corona-Lage bei laufenden Planungen und bei Umsetzungen eine große Rolle?

H.-J. Westphal: Aus meiner Sicht spielt es keine große Rolle. Es hat auch in der Vergangenheit keine ganz große Rolle gespielt, weil alle Bauvorhaben selbst in der Hochphase von Corona termingerecht und im Kostenplan super gut durchgeführt worden sind. An die neue Art der Kommunikation während der Lockdowns mussten wir uns gewöhnen…

T. Böttcher: …aber das hat sich eingeschliffen. Man trifft sich halt heute online. Schwierig wird es bei großen Vorhaben direkt zu Beginn. Da ist es schon wichtig sich in einem großen Raum noch einmal face-to-face zu sehen.

 

V. Köhler:  Herr Böttcher, Sie sagten Sie seien gespannt auf die Angebote nach den Ausschreibungen.

T. Böttcher: Tatsächlich sind die Baupreissteigerungen und Lieferschwierigkeiten in den letzten Jahren bemerkenswert. Dies belastet uns extrem. Die Zeiten sind sehr unsicher, unplanbar. Zu nennen sind beispielsweise ganz plötzlich wegfallende KfW-Förderungen oder gesetzliche Vorgaben, die wir umzusetzen haben. Wir müssen uns mehr denn je massiv mit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen beschäftigen. Denn all das sind Kostentreiber.

 

V. Köhler:  Kommen einzelne Planungen und Vorhaben gänzlich auf den Prüfstand aufgrund äußerer unsicherer Umstände?

H.-J. Westphal: Da müssen wir vielleicht anders rangehen. Unsere Strategie setzt auf zwei grundlegenden Positionen auf: Erstens sind wir weiter als Genossenschaft für bezahlbare Mieten zuständig und zweitens wollen wir gleichzeitig weiterhin so viel Geld wie es geht weiter in die Sanierung und Modernisierung unserer Bestände stecken. Wenn uns dann aber die Kostentreiber unter Druck setzen, dann muss man schon kreativ und intelligent vorgehen. Dies bedeutet, dass wir zum einen die Gewinnerwartung für die folgenden Jahre auf das notwendige Mindestmaß deckeln. Damit wir aus eigener Kraft heraus, weiter umfänglich, ohne Abstriche, sanieren und modernisieren können. Und zum anderen bedeutet dies, dass wir auch Kapazitäten aufbringen können, um alles rund um das Thema CO2-Reduzierung zu realisieren.

T. Böttcher: Ich möchte zu dem notwendigen Mindestmaß des Ergebnisses noch hinzufügen, dass es schon ein komfortables Mindestmaß ist, dass auch weiterhin das Eigenkapital stärkt. Dies auch in einer mit dem Aufsichtsrat abgestimmten Größe.

 

V. Köhler:  Können Sie dies noch etwas erläutern?

T. Böttcher: Tatsächlich ist es so, dass die Bestandsinvestitionen in einer Summe so gebündelt werden, dass das Geld ausreicht. Das heißt, zum Teil werden Projekte ins nächste Jahr verschoben oder auch andere vorgezogen. Immer so, dass wir mit dem vorgegebenen Budget gut leben können. Es wird aber nichts gestrichen. Tatsächlich muss man bei den Neubauvorhaben immer wieder schauen, welche Angebote wir bekommen und wie sich die Baupreise für Neubauten entwickeln. Dies ist aber auch immer abhängig von Baustoffpreisen oder von Nachfrage und Angebot der Bauleistungen. Und da bleibt es derzeit einfach wahnsinnig spannend. Für den Bauabschnitt „Caspari II“ ist es uns sehr gut gelungen annehmbare Angebote zu bekommen. Trotz der Baupreissteigerungen. KfW-Förderungen sind derzeit noch ein großes Fragezeichen. Wir werden abwarten müssen, bis sich die gesetzliche Lage neu geordnet hat.

H.-J. Westphal: Was wir keinesfalls wollen, ist von unserem Grundsatz der bezahlbaren Mieten abzuweichen. Das bedeutet dann aber natürlich auch, dass vieles, was uns auch sehr liebgewonnen ist, was wir aus gutem Grunde auch gerne bereitgestellt haben, natürlich auf den Prüfstand kommen muss. Das ist eine große Bandbreite von Dingen, die wir diskutieren: Von Sponsoring-Maßnahmen bis hin zu Bonusprogrammen. Wenn wir unsere Mieterinnen und Mieter keinesfalls mit nicht mehr vertretbaren Mieterhöhungen belasten wollen, dann müssen wir schauen, an welcher Stelle man Geld einsparen kann. Das haben wir getan. Wir sind davon überzeugt, dass das im Rahmen unserer genossenschaftlichen Gesamtstrategie genau die richtigen Maßnahmen sind.

 

V. Köhler:  Die Entwicklung der Preise kennt derzeit in nahezu allen Bereichen nur eine Richtung: Nach oben. Welche Maßnahmen ergreift die ›Wiederaufbau‹, damit das Wohnen bezahlbar bleibt?

T. Böttcher: Wir haben uns einen klaren Klimaschutzplan bis 2045 aufgelegt. Wir werden uns jetzt vorrangig um die Umrüstung von Einrohrheizung zu Zweirohrheizung beschäftigen. Da liegen die größten Einsparpotenziale für unsere Gebäude. Eine weitere Maßnahme wird sein, dass wir bei den Fernwärmeübergabestationen optimieren und so Einsparpotenziale generieren. Weiter werden wir auch Nahwärmenetze in diversen Liegenschaften erneuern. Das in Verbindung mit einem Austausch der Heizkörper, die für niedrige Vorlauftemperaturen gerüstet sind. Das ist das, was wir tun können, um steigenden Energiepreisen Rechnung zu tragen.

 

V. Köhler:  Die Inflation treibt Preise. Gleichzeitig war der Druck Maßnahmen zur CO2-Reduzierung umzusetzen noch nie höher. Überfordert uns alle das?

H.-J. Westphal: Was klar sein muss, ist, dass CO2-Reduzierung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wir müssen uns damit anfreunden, dass bestimmte Dinge teurer werden. Ich bin der Meinung, dass wir das noch stärker zu spüren bekommen werden. Und dass es für Menschen, die am Rande ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehen, auch deshalb Hilfen gibt. Das ist richtig.

T. Böttcher: Wir steigern unsere Mieten nur moderat um 1,5 Prozent. Dennoch ist es eine Erhöhung, die sicherlich im ersten Moment erschreckend wirken mag. Allerdings werden unsere Investitionen in den Bestand ausschließlich durch die Mieteinnahmen gespeist. Wenn Baupreise immer weiter steigen und Mieten sogar sinken würden, wäre unsere Investitionsfähigkeit enorm eingeschränkt. Insofern sind wir auf moderate Mietpreissteigerungen angewiesen, bei gleichzeitig kritischer Prüfung sonstiger Ausgaben.

 

V. Köhler:  Gaspreise sind derzeit erschreckend hoch...

T. Böttcher: Das stimmt. Gleichzeitig haben wir darauf aber auch nur bedingt Einfluss. Das Thema ist alles andere als trivial. Aber: Alle Mieterinnen und Mieter die mit einer Zentralheizung versorgt werden, profitieren von einem günstig verhandelten Arbeitspreis, den wir noch für die nächsten zwei Jahre bei BS-Energy einkaufen konnten. Vor solchen Vergaben beobachten wir im Übrigen immer Preisentwicklungen am Markt, um den bestmöglichen Preis zu erzielen.

 

V. Köhler:  Baut die ›Wiederaufbau‹ neu um zu wachsen? Warum wird überhaupt neu gebaut?

T. Böttcher: Die Strategie ist, die Bestandserneuerung bei Erhaltung der alten Bausubstanz. Neubauprojekte sind eher sachlich und örtlich begründet. Nach „Caspari II“ steht als letztes großes Neubauprojekt „An den Gärtnerhöfen 9-17“ an. Dies ist aber aus der Erneuerung des Gesamtquartiers heraus zu betrachten, nicht des Wachstumswillen. Die zukünftigen Neubauprojekte sind eher kleinere Projekte mit 10 bis 12 Wohnungen, maximal 30 Wohnungen, mit guter Mikrolage. Der Fokus ist und bleibt die Bestandsanierung.

 

V. Köhler: Vielen Dank!